E-Mail der HWK an die schwäbischen MdB der Ampel-Koalition
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
unser Dachverband ZDH hat uns über eine Aussage des BMWK informiert, nach der das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) nicht auf KMU ausgeweitet werde. Es solle in der Gas- und der Strompreisbremse aufgehen.
Diese Information hat uns massiv irritiert! Aus unserer Sicht wird das Handwerk allein gelassen – in der vermutlich größten Krise der Nachkriegsgeschichte! Die Aussage des BMWK widerspricht allem, was bisher seitens der Koalition bekannt gegeben wurde – und zwar in dreierlei Hinsicht:
- Erstens ist im Beschluss des Koalitionsausschusses vom 3. September zum 3. Entlastungspaket neben der Strompreisbremse und einem „Grundkontingent im Wärmebereich“ ausdrücklich erwähnt: „Das Energiekostendämpfungsprogramm soll für weitere Unternehmen, die nicht auf der KUEBLL-Liste stehen, mithilfe erweiterter Kriterien, die die Belastung durch hohe Energiepreise zur Grundlage haben, Unterstützung gewähren.“
- Zweitens hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 13. September in Aussicht gestellt, dass das EKDP bereits rückwirkend für September auf KMU ausgeweitet werde.
- Drittens heißt es im Beschluss vom 29. September zum Wirtschaftlichen Abwehrschirm: „Den Unternehmen, die nicht in ausreichendem Ausmaß von der Strom- und Gaspreisbremse erfasst werden, stehen Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen zur Verfügung. […] Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) und KMU-Programm gehen in diesen Maßnahmen auf.“ Diese Passage haben wir im Lichte der vorangegangenen Verlautbarungen so interpretiert, dass das Konzept eines auf KMU ausgeweiteten EKDP als Grundlage der Wirtschaftshilfen dienen soll, die die Gas- und die Strompreisbremse ergänzen sollen.
Mit der Information des BMWK an den ZDH müssen wir zweierlei feststellen:
- Zum einen werden Handwerksbetriebe und andere KMU gegenüber Privathaushalten und großen Industrieunternehmen weiterhin und im steigenden Maße massiv benachteiligt! Denn Privathaushalte profitieren seit 1. Oktober von der Mehrwertsteuersenkung auf Gas. Und großen Industriebetrieben steht seit Monaten das EKDP offen. Zudem soll die Gaspreisbremse für diese Unternehmen bereits zum 1. Januar 2023 greifen. Dagegen geht das Handwerk leer aus: Die Betriebe profitieren nicht von der Mehrwertsteuersenkung. Sie haben keinen Zugang zum EKDP. Und die Gaspreisbremse soll mindestens zwei Monate später greifen als für große Industrieunternehmen. Das Handwerk wird allein gelassen!
- Zum anderen hat die Koalition einen schweren Vertrauensschaden verursacht! Wir als Handwerksorganisation und unsere Mitglieder haben darauf vertraut, dass den wiederholten Ankündigungen Taten folgen werden. Tagtäglich haben wir darauf gewartet, dass das BMWK die Bedingungen für das ausgeweitete EKDP bekannt gibt. Zurecht aufgebrachte Mitgliedsbetriebe haben wir damit beruhigen wollen, dass das Programm schon bald – womöglich bereits rückwirkend für September – zur Verfügung stehen wird. Die neue Sachlage können wir unseren Mitgliedern nicht vermitteln! Offenbar scheinen sich zumindest die Spitzen der Koalition immer noch nicht darüber im Klaren zu sein, in welcher Situation sich viele Handwerksbetriebe befinden! Reden und Handeln stehen nicht im Einklang! Insolvenzen und noch viel mehr stille Betriebsaufgaben werden nun nicht mehr zu vermeiden sein! Das Handwerk steuert auf die wohl größte Krise der Nachkriegsgeschichte zu! Ein breites Sterben von Handwerksbetrieben ist damit vorprogrammiert!
Trotz dieser schweren Enttäuschung wollen wir uns konstruktiv am weiteren politischen Prozess beteiligen – und zwar mit einem konkreten Vorschlag unseres Dachverbands, den wir Ihnen nachfolgend kurz vorstellen:
- Der ZDH schlägt eine Härtefallbrücke für energieintensive KMU mit Standardlastprofil (SLP) vor. Damit soll die Förderlücke zwischen Januar und Februar 2023 und damit zwischen der Einmalzahlung im Dezember 2022 und dem voraussichtlichen Greifen der Gaspreisbremse im März 2023 überbrückt werden. Diese Maßnahme sieht einen Rabatt von 50 Prozent auf die Abschlagszahlungen für Januar und Februar 2023 vor – für den Fall, das die Gaspreisbremse erst später umgesetzt werden kann, auch länger.
- Dieses Instrument soll allen KMU offen stehen, die zwei Kriterien erfüllen: Erstens müssten die Energiebeschaffungskosten mindestens drei Prozent des Umsatzes im letzten abgeschlossenen handelsrechtlichen Geschäftsjahr betragen. Zweitens müssten sich die Energiepreise im Vergleich zum Durchschnittspreis im Jahr 2021 mindestens verdoppelt haben. Diese Kriterien, die sich am derzeitigen EKDP orientieren, würden zielgenaue Hilfen an besonders bedürftige Betriebe sicherstellen.
- Unbürokratisch umgesetzt werden könnte die Härtefallbrücke mittels Anträgen mit Eigenerklärungen der Betriebe, dass sie die genannten Voraussetzungen erfüllen. Nach dem Ende des Geschäftsjahres könnte eine staatliche Stelle überprüfen, ob die Anträge berechtigt gestellt wurden.
Wir bitten Sie dringend darum, diese Überlegungen in die politische Diskussion einzubringen, damit unseren Handwerksbetrieben eine Perspektive zu geben und den entstandenen Vertrauensschaden zu begrenzen! Das Handwerk verliert sonst jegliches Vertrauen in die Politik und in diesen Staat – mit unvorhersehbarem politischem Flurschaden!
Freundliche Grüße
Hans-Peter Rauch & Ulrich Wagner